Bakterielle Vaginose nur nach gesicherter Diagnose behandeln (2024)

Etwa ein Viertel aller sexuell aktiven Frauen leidet an einer bakteriellen Vaginose. Eine kürzlich überarbeitete Leitlinie fasst die wichtigsten Informationen zur Diagnose und Behandlung zusammen.

Die bakterielle Vaginose (BV) ist durch eine stark erhöhte Anzahl von Bakterien gekennzeichnet, insbesondere von Gardnerella-Subspezies, aber auch von vielen anderen anaeroben oder fakultativ anaeroben Keimen. Schützende Laktobazillen werden dabei verdrängt.

Wenn mindestens drei Episoden pro Jahr auftreten, spricht man von einer chronisch rezidivierenden bakteriellen Vaginose.

Gardnerella spp. haftet hartnäckig am vagin*lepithel und bildet einen polymikrobiellen Biofilm. Dieser erhöht die Resistenz gegen Bakteriozide und ist ein wesentlicher Grund für das häufige Scheitern der Standardantibiotikatherapie. Ausserdem erhöht er das Risiko für sexuell übertragbare Infektionen, entzündliche Beckenerkrankungen und Schwangerschaftskomplikationen, wie die Autoren der neuen Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe und weiterer Fachgesellschaften, darunter auch die Schweizerische Gesellschaft für Gynäkologie und Geburtshilfe (SGGG), erklären.

Rauchen, übertriebene vagin*le Hygiene, chronischer Stress und häufige Partnerwechsel sind prädisponierende Faktoren für die bakterielle Vaginose, die möglichst vermieden werden sollten. Auch ein erhöhtes Körpergewicht steht in Zusammenhang mit vermehrtem Auftreten der bakteriellen Vaginose. Der Nachweis des Biofilms beim Partner gilt mittlerweile als Beweis für eine sexuelle Übertragung der bakteriellen Vaginose.

Das typische Symptom der Vaginose ist verstärkter, meist hom*ogener Fluor. Dieser ist dünnflüssig und von gräulicher, leicht milchiger Farbe. Es tritt zudem ein fischiger Geruch auf, der durch die bakterielle Aminbildung verursacht wird. Dadurch steigt auch der pH-Wert des Scheidensekrets über einen Wert von 4,5.

Zusätzlich können Irritationen im Intimbereich wie Brennen, Juckreiz, Rötung sowie Schmerzen beim Geschlechtsverkehr und beim Wasserlassen auftreten. Einige Frauen bleiben jedoch völlig symptomfrei. Bei Therapieversagen oder chronisch rezidivierendem Verlauf kann auch die sexuelle Gesundheit beeinträchtigt sein. Während der Schwangerschaft besteht die Gefahr einer Zervixverkürzung sowie vorzeitiger Wehen oder vorzeitigem Blasensprung.

Amsel-Kriterien ermöglichen die Diagnose

Die orientierende Diagnostik der bakteriellen Vaginose basiert auf Anamnese, Klinik und mikroskopischem Nachweis bakterientragender Schlüsselzellen (clue cells) im Nativpräparat. Laktobazillen und Leukozyten sind kaum detektierbar. Auch eine Beurteilung anhand der Amsel-Kriterien ist möglich. Danach liegt eine bakterielle Vaginose vor, wenn drei der folgenden vier Merkmale vorhanden sind:

  • hom*ogener, grau-weisslicher Fluor genitalis

  • pH-Wert des vagin*lsekrets > 4,5

  • Amingeruch des Fluors (v.a. nach Zugabe eines Tropfens 10%iger Kalilauge (KOH)

  • Nachweis von mindestens 20 % Schlüsselzellen im Verhältnis zur Gesamtheit der pro Blickfeld erkennbaren vagin*lepithelzellen im Nativpräparat

Frauen mit vulvovagin*len Beschwerden und gesicherter bakterieller Vaginose sollten behandelt werden. Zur Akuttherapie eignen sich orales oder topisches Clindamycin und Metronidazol. Alternativ können auch topische Antiseptika verwendet werden.

Metronidazol ist zwar mit einer hohen Versagerquote behaftet, wird aber nach wie vor empfohlen. Die empfohlene Dosis beträgt 500 mg zweimal täglich über sieben Tage. Alternativ können 2 g einmal oder zweimal innerhalb von 48 Stunden verabreicht werden.

Clindamycin ist weniger anfällig für Resistenzentwicklungen. Die empfohlene Dosis beträgt zwei- bis dreimal täglich 300 mg über sieben Tage. Als topische Therapie können vagin*le Metronidazol- oder 2%ige Clindamycin-Creme einmal täglich für eine Woche verwendet werden, ebenso wie vagin*le Clindamycin-Ovula für drei Tage.

Auch Antiseptika haben sich in randomisierten kontrollierten Studien als wirksam erwiesen. Dequaliniumchlorid wurde in einer Dosis von 10 mg einmal täglich über sechs Tage getestet. Auch Octenisept-vagin*lspray und Povidon-Jod zeigten gute Ergebnisse. Seltener werden Secnidazol (2 g oral als Einmaltherapie) und Tinidazol (2 g oral für zwei Tage oder 1 g für fünf Tage) eingesetzt. Es ist zu beachten, dass Clindamycin die Qualität von Latex-Kondomen und Diaphragmen bis zu fünf Tage nach Ende der Therapie beeinträchtigen kann.

Die chronisch rezidivierende bakterielle Vaginose wird am besten mit lokalen Antiseptika oder einer suppressiven Erhaltungstherapie mit topischem Metronidazol behandelt. Anschliessend sollten vagin*le Probiotika angewendet werden, um das Risiko eines erneuten Auftretens zu reduzieren.

Vorgehen bei Schwangerschaft und Kinderwunsch

Schwangere Frauen mit symptomatischer bakterieller Vaginose sollten behandelt werden, um Beschwerden zu lindern und Komplikationen während der Schwangerschaft und im Wochenbett (z. B. Frühgeburt, vorzeitiger Blasensprung, Amnioninfektionssyndrom) zu reduzieren. Clindamycin wird für diese Patientengruppe empfohlen. Als Alternative eignen sich vagin*le Antiseptika wie Dequalinium und Octenidin. Von der Verwendung von Povidon-Jod wird abgeraten.

Aufgrund der Gefahr einer erneuten Infektion kann eine Partnerbehandlung bei chronisch rezidivierendem Verlauf der bakteriellen Vaginose sinnvoll sein, obwohl der Nutzen noch begrenzt ist. Massnahmen wie ein gesunder Lebensstil, Stressvermeidung und gegebenenfalls Gewichtsreduktion eignen sich ebenfalls zur Vorbeugung. Ob «vernünftige» vagin*lhygiene und Waschlotionen in dieser Hinsicht effektiv sind, ist bisher unklar. Für Patientinnen mit bakterieller Vaginose und unmittelbar bevorstehendem Kinderwunsch empfiehlt die Leitlinie eine Therapie, auch wenn keine Symptome vorliegen.

Grundsätzlich sollte eine Behandlung der bakteriellen Vaginose nur nach ärztlicher Diagnose erfolgen. Derzeit wird dies oft noch in Selbstmedikation durchgeführt, wie die Autoren der Leitlinie bemängeln. Milchsäure und Probiotika scheinen sich positiv auf den Therapieerfolg und die Rückfallrate auszuwirken und können daher ergänzend angewendet werden. Allein eingesetzt führen sie jedoch nicht zur Heilung.

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